Schicksale jüdischer Hofer
Ludwigstraße 55

Klara und Emma Lump kamen ursprünglich aus dem Landkreis Gelnhausen in der ehemaligen Provinz Hessen – Nassau. Die Schwestern Klara und Regina Lump fanden dort nach ihrer Schulzeit Anstellung im Kurz-, Weiß- und Wollwarengeschäft von Max Stern. Weil es dort mehrere Frauen mit dem Vornamen Regina gab, nannte sich Regina später Emma Lump. Die älteren Geschwister, Dina und Moses Lump, waren schon in jungen Jahren in die USA ausgewandert, weshalb die jüngeren Kinder der Familie Lump die beiden kaum oder gar nicht kannten.

Im Jahr 1906 machten sich Klara und Emma mit dem Beruf Modistin selbständig, was sehr mutig von ihnen war, da die Stellung der Frau damals weit unter der des Mannes lag. Am 5. Juni 1906 zogen sie nach Kulmbach und eröffneten dort das Putzwarengeschäft „Geschwister Lump“. Vier Jahre später wurde ein weiteres Putzwarengeschäft in der Ludwigstraße 59 in Hof erworben, wo Klara Lump auch einzog. Sie heiratete am 20. Februar 1911 den israelitischen Religionslehrer Richard Wetzler in Kulmbach und zog mit ihm nach Hof in die Ludwigstraße 55. Ihre Tochter Liese Ruth wurde am 18. November 1911 geboren.

Später wurde Richard Wetzler nach Nürnberg abberufen, weswegen Klara und Ruth ihm nach einigen Wochen folgten. Trotz des Umzugs führte sie das Geschäft weiterhin aus der Ferne. Am 20. Februar 1913 zog ihre Schwester Selma, welche ebenfalls Modistin war, in die Wohnung des Geschäfts und stieg gleichzeitig in die Firma ein. Etwa ein halbes Jahr später heiratete Emma Lump den Kaufmann Hans Lax in Nürnberg und zog gemeinsam mit ihm zu ihrer Schwester Klara und ihrem Mann in die Ludwigstraße 55. Ihre Mutter Hanna starb später am 13. Januar 1915 in Kulmbach.

Hans Lax wurde am 6. Mai 1915 mit knapp 34 Jahren in den Kriegsdienst eingezogen. Am 15. September 1916 fiel sein jüngerer Bruder Herbert Julius Lax, am 21. Juni 1916 Klaras Ehemann Richard Wetzler. Die am 1.11.1916 durchgeführte Judenzählung in der Armee war ein gewisser Wendepunkt der jüdischen Geschichte. Vorher waren Juden Bürger mit allen Rechten. Durch diese Maßnahme kehrte das Gefühl der Ausgrenzung in ihr Leben zurück. Am 23. November 1918 wurde Hans Lax aus dem Kriegsdienst entlassen und kehrte nach Hof zurück.

Im April diesen Jahres fand auch die Hochzeit von Selma und dem Kaufmann Max Michaelis statt. Nach dem Krieg gehörte das Geschäft „Geschwister Lump“ in der Ludwigstraße 55 zu den führenden der Branche in Hof und Umgebung. Von 1918 bis 1927 betrieb Hans Lax auch in der Karolinenstraße 33 eine Warenagentur. Am 8. Juni 1927 wurde dort auch ein Handel mit Wäsche und Korsetts angemeldet. Jedoch hatte die Familie mit dem Erstarken der nationalsozialistischen Bewegung immer mehr Probleme mit den Geschäften, sodass Anfang 1934 die komplette Firma in die Karolinenstraße 33 verlegt wurde.

Klara Wetzler wanderte 1936 mit ihrer Tochter in die Niederlande aus, wo sie versteckt leben musste. Während ihres Aufenthalts blieb sie aber weiterhin im Briefkontakt mit ihrer Schwester Emma.

Im April 1937 wurde die übrige Familie dazu gezwungen, ihr Geschäft aufzulösen, mit der Begründung, dass Emma Lax Jüdin war. Ihre Wohnung musste das Ehepaar ebenso aufgeben. Da die Nationalsozialisten großen Druck auf sie ausübten, zogen die beiden am 2. Mai 1939 nach Leipzig und wurden dort in einem sogenannten „Judenhaus“ untergebracht. Am 10. Mai 1942 wurde das Ehepaar mit 367 anderen Personen aus Leipzig in das Ghetto Bełżyce in Polen deportiert.

Es ist nicht bekannt, wie Emma Lax ums Leben kam. Es ist anzunehmen, dass sie entweder im Ghetto an Hunger oder Krankheit starb bzw. in einem Vernichtungslager ermordet wurde. Ihr Ehemann Hans wurde vermutlich in das KZ Majdanek verschleppt. Selma wurde am 18. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und kehrte niemals zurück. 1946 verließ Klara die Niederlande und wanderte nach Argentinien aus. Im Jahr 1955 beantragte sie im Alter von 70 Jahren Entschädigung für sich selbst und ihre Schwester Emma. Der deutsche Staat zahlte jedoch nie irgendeine Entschädigung für die beiden Jüdinnen.

Quelle: Hübschmann 2019, S. 189